Mottaker: | GEORG 2. AV SACHSEN-MEININGEN |
Datering: | 6. juli 1876 |
Sted: | MÜNCHEN |
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Seit meiner Zurückkunft hieher, habe ich es täglich als einen Drang meines Herzens empfunden, Ew: Hoheit und Ihrer gnädigen
Frau Gemahlin einen Ausdruck der Dankbarkeit, von der ich mich durchdrungen fühle, unterthänigst darzubringen.
Denn, in der That, Ew: Hoheit haben mich hoch beglückt, nicht nur durch das Zeichen der Gnade und Gewogenheit, welches ich bei meiner Abreise die Ehre hatte von Ew: Hoheit zu empfangen, sondern auch dadurch, dass es mir vergönnt wurde einen lange und sehnsüchtig gehegten Wunsch
erfüllt und verwirklicht zu sehen, und endlich nicht am wenigsten durch die Eindrücke der Schönheit und hoher Menschlichkeit, die ich von Liebenstein als Besitz und Bereicherung für kommende Tage mitgenommen habe.
Ueberhaupt, der Aufenthalt in Liebenstein steht vor meinem Gedächtniss als ein schöner Traum. So oft ich darauf zurückschaue, muss ich an die isländischen Skalden der Vorzeit denken. Von ihnen wird erzählt, dass sie, wenn der Frühling herannahte, von Sehnsucht nach dem Leben in den reicheren und wärmeren Ländern, wo die Sonne höher stände, ergriffen wurden. So segelten sie denn nach Süden, suchten die Fürstenhöfe auf, sangen dort ihre besten Lieder und kehrten mit reichen Gaben nach der einsamen Insel zurück. Dann aber, fügt die Sage hinzu, war es ihnen leichter die Einsamkeit zu ertragen, denn sie sassen da mit dem Reichthum der Erinnerungen. Und es wird ferner hinzugefügt,
dass sie schöner dichteten als früher; denn wie der Mensch, innerlich genommen, nur das Verlorne besitzt, so sieht und beherrscht auch der Dichter am klarsten und am meisten energisch diejenige Wirklichkeit, welche Zeit gewonnen hat sich als Erinnerung zu veredeln und zu verherrlichen.
Nun habe ich freilich in Liebenstein weder gedichtet noch gesungen; aber ein sehnsuchtsvoller Wunsch zog mich doch lange dorthin, und fürstlich bereichert bin ich wieder davon gezogen. Und so gewiss als ein jeder bedeutungsvoller Punkt meines Lebens bisher in einer Dichtung seinen Abschluss gefunden hat, ebenso sicher weiss ich, dass die schönen Erinnerungen, die mich jetzt erfüllen, auf ähnliche Weise ihre Befreiung fordern werden, zwar nicht als ein Spiegelbild des wirklich Erlebten, vielleicht nur – davon als von einer Stimmung durchhaucht, aber dennoch durch das
entstanden, was ich in mir aufgenommen habe und worauf ich stets als auf etwas wunderbar Fernes und zugleich Nahes zurückblicken werde. Und wenn eine solche Dichtung einmal zu Stande gebracht ist, dann bitte ich darum, sie vor Ew: Hoheit und Ihrer hohen Frau Gemahlin niederlegen zu dürfen, als denjenigen, welchen ich ein schönes Sommermärchen zu verdanken habe.
München den 6. Juli 1876.
Unterthänigst
Henrik Ibsen.